Atlantikwall

 

Während des zweiten Weltkrieges befahl Adolf Hitler den Bau des Atlantikwalls, eine Bunkerkette entlang der Westküste Europas. Der Wall erstreckt sich über ca. 3000 Kilometer von Norwegen bis zu den Pyrenäen. Fast eine halbe Million Menschen bauten daran nahezu vier Jahre lang, die meisten von ihnen gezwungenermaßen. Der Atlantikwall sollte das größte Militärbauwerk des 20. Jahrhunderts werden. Ende 1940 verlor Deutschland die Luftschlacht um England, die Invasion auf Großbritannien blieb aus. Immer mehr Divisionen wurden von der Westfront an die Ostfront verlegt, da die Rote Armee dort erbitterten Widerstand leistete.

In Berlin war man sich bewusst, dass die Westflanke gesichert und verteidigt werden musste. Der erste Schritt war getan, aus der Westoffensive in die Defensive zu wechseln. Ebenso wie am Westwall wurde der Ingenieur Dr. Fritz Todt und seine gleichnamige Organisation mit dem Bau der Bunkeranlagen vertraut. Ohne diese Organisation wäre der Bau des Walls niemals realisierbar gewesen. Es wurden standardisierte Pläne zum Bau der Bunkeranlagen benutzt. Daraus entstanden die so genannten Regelbauten, deren Erbauung ca. 3 Monate in Anspruch nahmen. Pro Monat wurden 500.000m³ Beton verbaut.

In der ersten Bauphase hatte die Küste Norwegens Vorrang. Die Reichsführung wollte die Rohstoffe sichern und befürchtete dort eine Invasion der Alliierten. Hunderte deutscher Soldaten wurden dort stationiert, eine Invasionsflotte hingegen dort niemals gesichtet. Holländische Häfen, die mögliche Invasionsziele darstellen, wurden zu Verteidigungsbollwerken ausgebaut. Entlang der Küste standen die Bunker in einem Abstand von mehreren Metern oder einigen Kilometern zueinander.

Im Dezember 1941 wurde dem Vorantreiben des Atlantikwallausbaus oberste Priorität zugemessen, da Amerika in den Krieg eintrat und sich somit ein neuer westlicher Feind dem Reich offenbarte, der, wenn er den Wall überwand, durch Frankreich und die Beneluxstaaten freien Vormarsch bis Deutschland gehabt hätte. Da es zu wenige Soldaten gab, mussten noch mehr Wehranlagen errichtet werden. Man wollte möglichst schnell Mensch und Material unter Beton liegen haben, um vor den permanenten Luftangriffen geschützt zu sein.

Auch die Kanalinseln Jersey, Guernsey und Alderney wurden befestigt. Militärisch ein unverständliches Unterfangen, das nur der propagandistischen Zwecken diente, da diese Inseln bereits zum englischen Territorium zählten. Im Vergleich zum übrigen Atlantikwall waren diese Inseln übertrieben stark gesichert. Obwohl sie das unwichtigste Glied des Walls darstellten, wurden dort zwei Divisionen stationiert.

Am 8. Februar 1941 starb der leitende Ingenieur Dr. Todt bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz. Ein schwerer Rückschlag für das Unternehmen Atlantikwall. Seine Organisation arbeitet ohne ihre tragende Säule weiter. Zu Ehren Todts wurde eine der größten Batterien am Pas de Calais, der die engste Stelle von nur 35 Kilometern zwischen Frankreich und England beschreibt und somit die stärkst befestigte Passage am Wall war, nach ihm benannt.

Die Häfen von Calais und Dünkirchen, sowie die Caps Blanc und Gris Nez und das gesamte Umland waren wahre Festungsbollwerke, da hier, an der engsten Stelle des Kanals so glaubten die Strategen, eine Invasion am wahrscheinlichsten war. Eine fatale Fehleinschätzung Ähnlich gesichert waren die Häfen von Le Havre, Dieppe und Cherbourg, Brest und St. Nazaire (Stützpunkt der U-Boot Flotte), da man vermutete der Feind würde eher die Häfen attackieren, als am flachen Strand zu landen, um einen Brückenkopf ins Landesinnere zu errichten. Ein weiterer Trugschluss. Auch wurde das Hinterland bei der Verteidigung kaum oder gar nicht mit berücksichtigt. Man konzentrierte sich nur auf den Gedanken aus der Küste eine unüberwindbare Barrikade zu erheben, deren Überwindung undenkbar sei. Als solche feierte auch die Propaganda ihren Wall. Angriffen von hinten wären die Wehranlagen schutzlos ausgeliefert gewesen.

Auf Grund massiver Bedenken an der Qualität des Atlantikwalls seitens der führenden Strategen wurde am 8. November 1943 Erwin Rommel zum neuen Inspekteur des Walls ernannt.Erwin Rommel Dieser nahm seine Aufgabe sehr ernst, bereiste den Wall unentwegt und erkannte sehr schnell die massiven Mängel des Festungswerks. Rommel verwandelte den Strand in einen reinen Hindernisparcour aus Belgischen Toren, Minenfeldern, Holzpflöcken, Stahlsperren und Stacheldraht.

Er kam zu dem Schluss, dass der Wall nur hält, wenn die Alliierten schon am Strand scheiterten. Außerdem wollte er im Hinterland Panzerdivisionen stationiert wissen, da die Bunker allein eine Invasion nicht aufhalten konnten. Auf Grund verschiedener Streitigkeiten über Verteidigungsstrategien und Befehlsgewalten am Wall kam man seinem Wunsch in Berlin nur bedingt nach. Rommel wurden lediglich drei Panzerverbände unterstellt. Der Rest befand sich im weiteren Hinterland. Ein Fakt der die spätere Invasion begünstigte. Hätte Rommel für seinen Plan der Verteidigung uneingeschränkte Unterstützung erfahren, wäre das Gelingen der Invasion mehr als fraglich gewesen. So wusste er jedoch, dass das entscheidende Zeitfenster die ersten 48 Stunden waren.

Erschwerend hinzu kam, dass die Alliierten inzwischen die Luftüberlegenheit besaßen. Pausenlose Bombardements der Grossbaustelle und der Zufahrtswege führten dazu, dass Materialien und Rohstoffe knapp wurde. Der Bunkerbau stockte. Zusätzlich mangelte es an Artillerie. Die Kampfkraft wurde geschwächt, weil immer mehr erfahrene Soldaten an die Ostfront abgezogen wurden. Als am 6. Juni 1944 (Operation Overlord) die Invasion begann, war der Ausbau des Atlantikwalls noch im vollen Gang. Von den befohlenen 15.000 Bunkeranlagen war nur ein geringer Teil fertig gestellt.

Die Alliierten landeten morgens um 6.30h bei Ebbe an den Schwachpunkten des Atlantikwalls, den Stränden der Normandie. Dank guter Spionage hatten sie die Landung zwei Stunden vorverlegt, um die Ebbe zu nutzen und nicht an den Vorstrandhindernissen zu scheitern. Es war ein heftiger, blutiger Kampf zwischen Schiffsartillerie und Küstenbatterien. Nicht einmal 24 Stunden hielt der Atlantikwall in der Normandie den Angriffen stand und ebnete den Alliierten den Weg in die Festung Europa. Der Atlantikwall war gefallen, der Krieg galt als verloren…

Heute sind die Spuren der Zeit am ehemaligen Atlantikwall unübersehbar. Unmengen der einstigen Verteidigungsanlagen stehen dem Interessierten Bunkerforscher offen. Sei es als Museen oder frei an den Küsten begehbar, werden diese Bauten immer an den Wahnsinn vergangener Tage erinnern, als stumme Zeugen einer blutigen, verlustreichen Schlacht auf beiden Seiten.

Bei unseren Recherchen mussten wir feststellen, dass es keine umfassende Enzyklopädie aller Atlantikwallregelbauten gibt. Bei Interesse an Grundrissen, Bewaffnung und Besatzung der von uns besuchten Regelbauten verweisen wir an dieser Stelle auf die Privatinitiative von Bunkers.be (zu finden auf unserer Linkseite).